TB 25.11.1932

25.11.1932, Paris, Hôtel Atala
[Auf den Vorsätzen Fotos von Christine Hostelet, Alfred Flechtheim, mehrere Fotos von Max und Marie-Berthe Ernst und von der Breughel-Reproduktion in Gides Schlafzimmer, dann Frz. Motto:]
»Et Dieu vous fera honte, avec toute votre sagesse et vos connaissances. Je prevois qu’il va vous envoyer des exécuteurs de ses châtiments, et vous punira de telle sorte que, de votre gré ou non, vous aurez à revenir à votre état veritable, avec grand dommage pour vous….«
Sto Francesco d’Assisi
[folgt das Datum und Ortsangabe]
Ich bete heute dringlicher. Sage Dank. Esse allein bei Washington. Gehe des zu verlängernden französischen Visas halber zur Polizei, aux Affaires étrangères. (Überall ist der Staat die gleiche, erbärmlich singende Diva, die als Dank für die Duldung, mit der man ihre Talentlosigkeit hinnimmt ihre Launen an einem auslässt.) Später ins Quartier St Germain, Max Ernst besuchen.
Der haust in einer ungeheizten, unaufgeräumten traurigen Wohnung. Sieht man dieses Dekor, liegt es fast auf der Hand, dass es den Beiden nicht nur der Krise halber aber auch infolge der Untüchtigkeit der Frau [1 1/4 Zeilen geschwärzt] nicht gut gehen kann [1 Zeile geschwärzt]. Wie im Falle Mops ist auch hier keine Hilfe möglich.
Briefe von allen Seiten. Ein überaus rührender von Linchen, diese letzte, noch vorhandene Bindung zu meiner Mutter, meiner geliebten Grossmutter Schwaben. Agnes schreibt: »Meine zärtlichst und innigst geliebte braune Geburtstagstaube, denke ich schon sonst mit zärtlicher Liebe an Dich, so heute noch mit dem besonders ausgefallenen Gedanken, (ausgefallen deshalb, weil ich mir sonst an der einfachen Tatsache genügen lasse) dass ich mich freue, dass Du geboren bist, und dass ich unter die grossen Glücksbedürfnisse meines Lebens unbedingt das zähle, Dich solange und so glücklich wie für Dich denkbar, und so erfüllt wie nur irgend möglich, mit uns leben zu wissen. Diese Gedanken schliessen alles ein, was ich nur wünschen kann, und als kleine Nebentreppe der historischen Materialistin, die Deine Kinder gewissermassen auch als Fortentwicklung betrachtet, wünsche ich Dir, dass alles, was Du Gutes in sie gelegt hast, wirkliche Früchte bringen möchte und so auch als Freude daran zu Dir zurückkommen möchte.«
Gegen Abend treffe ich im Café Weber Christine. Abends mit Mops, Klaus, Mahaut und Christine bei Antoine. Schliesslich noch ein unerwarteter liebevoller Brief Gides, der mich sehr beglückt.